Dissertationen

Trances in Translation: Hin zu einer ethischen Wende beim Übersetzen von Alterität im marokkanischen Sufi-Ritual al-ḥaḍra
Al-Ḥaḍra ist ein spirituelles, performatives Sufi-Ritual, bei dem der Einzelne durch kollektive Meditation in einen veränderten Bewusstseinszustand eintritt. Dadurch erfährt er eine einzigartige Erfahrung erweiterten Bewusstseins. In diesem Projekt wird al-ḥaḍra "übersetzt" und der Akt des Übersetzens über seine traditionellen Grenzen hinaus erweitert. Dies geschieht durch eine Übersetzung der Gedichte, die während des Rituals rezitiert werden, und durch eine ethnographische Untersuchung des Rituals als eine Form intersemiotischer und kultureller Übersetzung. Darüber hinaus wird die individuelle Erfahrung des Göttlichen als ein Prozess der Sinnstiftung verstanden, der zur Identitätsbildung der Gemeinschaft beiträgt. Durch die Übersetzung der affektiven Erfahrung der Teilnehmer und die schriftliche Fixierung der Melodie der Gedichtrezitation sowie der rhythmischen Bewegung soll der Übersetzungsbegriff erweitert werden. Die Grundlage dieses multidisziplinären Forschungsprojekts ist die Ethik. Die ethische Wende hat in diesem Projekt eine dreifache Bedeutung. Erstens geht es darum, Wege für eine ethische Übersetzung der Gedichte zu finden, die das Anderssein einbezieht und ihre unterschiedliche Ästhetik und ihren reichen Dialogismus vermittelt. Zweitens geht es darum, neue, ethisch geleitete Methoden in der ethnographischen Forschung zu erforschen, als Alternative zu Methoden, die eher epistemologische Fragen ausblenden, in der Hoffnung, neue Erkenntnisse über diese Sufi-Praxis als Teil der marokkanischen Kultur und Identität zu gewinnen. Schließlich wird ein lokaler Ansatz zur Ethik verfolgt, der seinen Ursprung im marokkanischen Sufismus selbst hat. al-Ḥaḍra wird als besonderes Moment in der Ausrichtung der Sufi-Gemeinschaft untersucht, das ethisches Handeln des Individuums fördert.